9. Die Hefe

Mrz 13, 2021 | Anleitungen, Fruchtweine

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Die Hefe im Detail

Ich habe die Bäckerhefe bereits im Kapitel „Die Mikrobiologie“ vorgestellt und möchte mich deshalb hier auf die praktischen Fragen bei der Weinbereitung beschränken. Ich möchte Ihnen nahe bringen, warum Sie eine Reinzuchthefe verwenden sollten und möchte ihnen die verschiedenen Heferassen kurz vorstellen. Da es lästig ist, die Hefen jedes mal neu kaufen zu müssen, bekommen Sie Tipps zur Lagerung und zum Umgang mit den Hefen, denn wie Sie sehen werden, können Sie auch den gekauften Hefen nicht blind trauen. Ich fand in Flüssigkulturen verschiedener Lieferanten Verunreinigungen mit Essigsäurebakterien und Schimmelpilzen. Grundsätzlich gilt:

Ein Weinansatz, der nach vier oder fünf Tagen noch nicht gärt, hat ein Problem! Möglicherweise war die verwendete Hefe nicht in Ordnung!

Unser Rekord: Ein Ansatz Bananenwein hat etwa 8 Stunden nach Hefezugabe verhalten geblubbert, nach 15 Stunden war die Gasbildung so stark, dass beim Schütteln das Wasser aus dem Gärröhrchen spritzte.

Wilde bzw. spontane Gärung contra Reinzuchthefe

Wenn man keine Reinzuchthefe verwendet, spricht man von einer „Spontangärung“ oder einer „wilden Gärung“. Hervorgerufen wird diese Art von Gärung durch Mikroorganismen, die auf den Früchten oder Beeren haften und sich vermehren von austretenden Säften, wenn die Frucht z.B. Risse aufweist. Diese Mikroorganismen gelangen mit großer Zahl in den Weinansatz, ob Sie nun eine Reinzuchthefe verwenden oder nicht.

Auf der Weintraube finden sich die Hefen der Gattung Saccharomyces zunächst in Unterzahl, es dominieren sogenannte „Apiculatushefen“ der Gattungen Kloeckera und Hanseniaspora, Hansenula und Candida sowie weitere Hefen, aber auch Milchsäure- und Essigsäurebakterien. Im sich selbst überlassenen Most verursachen diese Hefen schließlich die spontane oder wilde Gärung, die durchaus zu einem guten Wein führen kann. Der Grund hierfür ist die Dominanz der Saccharomyces-Arten in der späten Gärphase: Bei der Angärung vermehren sich zunächst alle Mikroorganismen. Später, bei steigendem Alkoholgehalt, werden die unerwünschten Hefen aber zunehmend gehemmt, und die Saccharomyces-Arten gewinnen die Oberhand, denn sie besitzen eine höhere Alkoholtoleranz als die anderen Mikroorganismen und eine bessere Gärfähigkeit. Soweit, so gut. Warum sollte ich also eine Reinzuchthefe verwenden?

Die Spontangärung hat einige Nachteile. Man kann die Spontangärung als Fehlgärung verstehen, die sich erst später bei höherem Alkoholgehalt qualitativ der Reinvergärung annähert. So entstehen besonders zu Beginn der Gärung allerlei Nebenprodukte, die, solange sie nicht überhand nehmen, die geschmackliche Komplexität des Wein positiv beeinflussen, darunter sind Produkte wie Essigsäureester und höherkettige Alkohole. Wird zu viel von diesen Stoffen gebildet, so wird aus dem Vorteil schnell ein Nachteil: Nur in geringer Menge können diese Stoffe den Geschmack des Weins vorteilhaft beeinflussen, bei größeren Mengen kann der Wein fehlerhaft oder fuselig schmecken, zudem können diese Produkte für den „dicken Schädel“ am nächsten Tag sorgen. Außerdem können sie feine Fruchtaromen überdecken: Der Wein schmeckt dann für die jeweils verwendete Frucht untypisch.

Ein weiterer Nachteil: Spontane Gärungen verlaufen in der Regel langsamer. Der Konkurrenzkampf um Nährstoffe ist beim Beginn der Gärung größer, und die erwünschten Saccharomyces-Hefen können durch den „Wildbewuchs“ sogar gehemmt werden. Da in der frühen Phase der schützende Effekt des Alkohols ausbleibt haben andere unerwünschte Mikroorganismen wie z.B. Bakterien oder Schimmel leichtes Spiel und können den Wein durch ihre Tätigkeit geschmacklich negativ beeinflussen oder sogar verderben.

Die käuflichen Hefen wurden optimiert, „sauber“ zu gären und möglichst wenig unerwünschte Nebenprodukte zu bilden. Nur mit Reinzuchthefen können Sie reproduzierbar wohlschmeckende Weine herstellen, die keinen Brummschädel am nächsten Morgen hervorrufen. Diese Weine schmecken oft harmonischer und sind bei Lagerung geschmacksstabiler. Die Reinzuchthefen wurden außerdem daraufhin optimiert, dass die Gärung auch bei hohem Zuckergehalt schneller in Gang kommt, was vielen Weinfehlern vorbeugt, denn durch den entstehenden Alkohol wird z.B. das Wachstum von Essigsäurebakterien frühzeitig unterbunden. Weiterer Vorteil der Reinhefe ist die Osmotoleranz, d.h. auch zuckerreiche Moste werden vergoren, und deren höhere Alkoholtoleranz.

Eines sollten Sie außerdem bedenken: Bei den heutzutage behandelten Trauben, die im Laden zu kaufen sind, wissen Sie nie, ob überhaupt eine brauchbare Hefe an den Früchten klebt. Gerade bei Honigweinen, die oft nur wenig Frucht oder pasteurisierten Fruchtsaft enthalten, wäre eine wilde Gärung ein absolutes Glücksspiel. Da auf Obst und Beeren im Gegensatz zu Trauben oft nur wenige oder gar keine Saccharomyces-Arten vorkommen, muss bei der Fruchtweinbereitung eine Reinzuchthefe verwendet werden!

Fazit: Ja, eine Reinzuchthefe ist absolut notwendig!

Die verschiedenen Heferassen

Die verschiedenen Rassen wurden aus Wildhefen gezüchtet und unterscheiden sich nicht nur in ihrer Alkoholtoleranz. Jede Rasse bildet eine einzigartige Mixtur aus Aromastoffen, die den Geschmack eines Weins mitbestimmt. Entsprechend werden die Hefen in verschiedene Geschmackskategorien eingeteilt. Ein wichtiges Unterscheidungskriterium ist die Menge des Glycerins, das während der Gärung als Nebenprodukt entsteht. Geschmacklich als „süß“ eingestufte Hefen bilden großen Mengen Glycerin, bis zu 10 g/l. Den positiven Effekt des Glycerins im Wein habe ich schon im Kapitel „Die Mikrobiologie“ beschrieben: Glycerin (H2COH-HCOH-H2COH) schmeckt süßlich und dickt die Flüssigkeit förmlich ein. Dadurch haftet der Wein länger an den Schleimhäuten und ist hauptverantwortlich für die Nachhaltigkeit des Weingeschmacks. Glycerin ist übrigens gesundheitlich völlig unbedenklich und ist ein natürlicher Baustein tierischer und pflanzlicher Fette. Mit diesen „süßen“ Hefen lässt sich bei entsprechender Zuckerdosierung ebenso ein trockener Wein herstellen wie mit anderen Hefen.

Viele Hersteller geben zu den einzelnen Hefestämmen eine Alkoholtoleranzgrenze an. Die Erfahrung zeigt dass diese Werte in der Praxis nicht verlässlich sind: Sind die Hefen bei der Gärung ungünstigen Bedingungen ausgesetzt, zum Beispiel durch hemmend wirkende Inhaltsstoffe in den verwendeten Früchten, so kann die theoretische Alkoholtoleranzgrenze deutlich unterschritten werden. Andererseits können diese Hefen auch deutlich mehr Alkohol bilden als sie eigentlich sollten: Die Hefe „Steinberg“ soll beispielsweise eine Alkoholtoleranz von 10% besitzen. In meinen Händen produziert sie regelmäßig 13%, der Rekord lag bei knapp 15% Alkohol.

Es macht deshalb wenig Sinn, die Heferassen nach ihrer theoretischen Alkoholtoleranz zu sortieren und voneinander unterscheiden zu wollen. Im Folgenden habe ich deshalb einige gängige Heferassen grob eingeteilt in Hefen mit hoher und mit niedriger Alkoholtoleranz. Als Faustregel gilt:

 

  • Hefen mit hoher Alkoholtoleranz sind Rotweinhefen und lieben Gärtemperaturen von mindestens 20°C.
  • Hefen mit niedriger Alkoholtoleranz sind Weißweinhefen und begnügen sich auch mit niedrigeren Gärtemperaturen.

Grundsätzlich sind Hefen mit hoher Alkoholtoleranz für Anfänger besser geeignet: Dank des scharfen Gärendes ist die Nachzuckermethode problemlos anwendbar. Weine, die mit Hefen niedriger Alkoholtoleranz hergestellt werden, müssen oft anderweitig vor Nachgärungen geschützt werden (siehe Kapitel „Zucker“)!

Heferassen mit hoher Alkoholtoleranz (um 15%) Aroma
Burgunder kräftig stark herb
Haut Sauternes kräftig süß
Portwein kräftig würzig
Samos kräftig süß
Sherry kräftig süß
Tarragona kräftig, sehr süß
Heferassen mit niedriger Alkoholtoleranz Aroma
Assmannshausen leicht herb
Liebfraumilch kräftig mildherb
Pfälzer kräftig herb
Steinberg kräftig mild

Lieferformen der Hefe

Reinzuchthefen sind in der Regel in zwei Formen erhältlich: Als Flüssigkultur und als Trockenhefe. Generell gilt: Viel hilft viel! Der Einsatz einer größeren Hefemenge garantiert das rasche Einsetzen der Gärung. Dies kann zwar zu einer starken Schaumbildung führen, andererseits verhindert der rasch entstehende Alkohol, dass wilde Hefen, schädliche Bakterien oder Schimmel sich unkontrolliert im Ansatz (im Most) vermehren können. Solche ungewollten Organismen haften an allen Früchten an, ihre Anwesenheit im Gäransatz ist nicht zu verhindern. Deshalb soll die Gärung unbedingt innerhalb von maximal 7 Tagen einsetzen.

 

Flüssighefen

Zur Herstellung der Flüssigkulturen wird etwas Reinzuchthefe in zuvor keimfrei gemachten Trauben- oder Apfelsaft vermehrt. Dabei kommt es, wie bei der Weinbereitung auch, zu einer Gärung. Ist dieser Prozess abgeschlossen, wird der so entstandene Wein samt den Hefen in kleine Fläschchen abgefüllt. Die Zellen befinden sich nun in einem Ruhestadium und können sich wieder vermehren, sobald sie bessere Lebensbedingungen wie in einem frischen Weinansatz finden. Entsprechend einfach ist die Anwendung: Die Hefen, die sich bei längerer Lagerung am Boden des Fläschchens absetzen, werden kurz aufgeschüttelt, und die Kultur wird zum Weinansatz gegeben. Nach 2-5 Tagen sollte die Gärung einsetzten.

Das ist die Theorie. Die Praxis hat jedoch gezeigt, dass viele Gärprobleme durch eine schlechte Qualität der Flüssighefen hervorgerufen werden. Die flüssigen Reinzuchtkulturen altern schnell und ihre Gärfähigkeit nimmt nach und nach ab. Bei längerer Lagerung sterben immer mehr Zellen ab, dieser Vorgang wird insbesondere durch ungünstige Lagertemperaturen beschleunigt, z.B. in einem heißen sommerlichen Verkaufsraum oder bei sehr hohen oder sehr niedrigen Temperaturen während des Transports. Wird die Flüssighefe falsch gelagert ist das angegebene Mindesthaltbarkeitsdatum nicht die Farbe wert mit der es gedruckt wurde.

Der Hobbywinzer sollte daraus zwei Lehren ziehen: Erstens gilt bei Flüssighefen das Motto „Viel hilft viel!“. Die Kulturen haben in der kleinsten Packungsgröße ein Volumen von 25 oder 50 ml, diese Menge reicht laut Herstellerangabe für bis zu 50 l Wein. Dieser Angabe sollte man in der Praxis keine Beachtung schenken und die Flüssighefe immer komplett in einen Weinansatz geben, auch wenn er nur 5 oder 10 l Volumen hat. Geöffnete Kulturen sollten ohnehin sofort verbraucht werden, damit sich ggf. Luftkeime nicht vermehren können. Zweitens sollten Sie Ihre Flüssigkulturen deshalb möglichst frisch kaufen, am besten im Versandhandel direkt beim Hersteller, und sie im Kühlschrank lagern.

Wer keine Fehlgärung riskieren will setzt von Flüssighefen immer einen Gärstarter an (siehe unten) oder verwendet Trockenhefen.

 

Trockenhefen

Die Zellen zur Herstellung von Trockenhefe werden ebenfalls in Saft vermehrt, anschließend wird ihnen möglichst viel Wasser entzogen; die Zellen werden dehydriert. So können die Hefen besser gelagert werden, sie vertragen in dieser Form höhere Temperaturen besser, deshalb können auch angebrochene Tütchen können aufbewahrt werden: Angebrochene Gebinde mit Trockenhefe werden gründlich verschlossen und im Kühlschrank aufbewahrt.

Für 10 l Wein reichen 1-2 g Trockenhefe völlig aus. Eine Überdosierung sollte vermieden werden damit die Gärung nicht zu stark verläuft. Die Anwendung der ist denkbar einfach: Die Hefe wird einfach in den Weinansatz oder auf die Maische gestreut, nach 10-20 Minuten Wartezeit wird der Ansatz gründlich gemischt.

Wer seine Hefe besonders schonend behandeln will sollte sie stattdessen sanft mit Wasser rehydrieren bevor sie in den Wein gegeben wird. Dazu wird die Trockenhefe im zehnfachen Volumen Wasser oder Apfelsaft (also mindestens 100 ml für 10 g Trockenhefe) eingestreut und vorsichtig umgerührt, bis sie gut gelöst ist. Die Flüssigkeit sollte lauwarm sein (etwa 30°C, die Temperatur darf 45°C nicht übersteigen, da die Hefen dann absterben!). Nach 30 min kann die Suspension in den Most gegeben werden.

Sie können die Gärfähigkeit einer Trockenhefe einfach testen: Wenn Sie Apfelsaft zur Rehydrierung verwendet haben, so sollte das Gemisch nach 30 bis 90 min anfangen zu schäumen, da die Gärtätigkeit einsetzt. Haben Sie Wasser verwendet, so können Sie etwas Zucker hinein geben, um den gleichen Effekt zu erzielen (etwa 1-2 Teelöffel Zucker auf 100 g Hefelösung).

 

Warum Trockenhefe der Flüssighefe überlegen ist

Früher habe ich meist Flüssighefen verwendet, bis ich böse Erfahrungen damit gemacht habe: Ich habe alle gekauften Hefen auf Petrischalen getestet, mit einem festen synthetischen Medium gefüllt sind. Der Mikrobiologe spricht von einem Vereinzelungsausstrich: Dazu habe ich etwas vom Hefebodensatz oben auf den Platten verteilt. Mit einer sterilen Öse habe ich die dicht an dicht liegenden Zellen so auf dem freien Raum der Platte verteilt, dass sie einzeln zu liegen kommen und sich ungestört teilen können und Kolonien bilden. Das sind große Zellhaufen, die heranwachsen, bis man sie mit dem bloßen Auge erkennen kann. Diese Zellhaufen nennt man Kolonien. Form und Farbe der Kolonien können sich unterscheiden, je nachdem, aus was für einer Hefe oder Bakterie die Kolonie hervorgegangen ist.

Dabei sind mir verschiedene unschöne Dinge aufgefallen. Bei einigen Reinzuchthefen unterschieden sich die Kolonien und Form und Farbe. Die Untersuchung mit dem Mikroskop ergab zwar, dass es sich ausschließlich um Hefen handelte, trotzdem war es offensichtlich ein Gemisch aus mehreren Arten. Ich war also etwas verunsichert und bestellte die Hefen später nochmals. Und siehe da, nun erwiesen sich die Kolonien des Vereinzelungsausstrichs als homogen. Offensichtlich ist in den Flüssigkulturen nicht immer das drin, was laut Etikett enthalten sein sollte.

Abb. 9.1 zeigt Platten eines anderen Vereinzelungsausstrichs. Die linke Platte zeigt ein Bild, wie man es sich wünscht: Alle Kolonien, zeigen das typische Erscheinungsbild von Hefekolonien (grüne Pfeile): Sie sind hell, fast weiß, und deutlich gewölbt. Außerdem duftet eine solche Platte wunderbar nach den gebildeten Aromastoffen. Anders bei der mittleren Platte: Zwischen den Hefekolonien fanden sich milchig-trübe, flache Kolonien (rote Pfeile). Hierbei handelte es sich um Essigsäurebakterien, die Flüssigkultur roch beim Öffnen stark nach Essig. Als besondere Dreingabe wuchs ein Schimmelpilz am unteren Rand der Platte (brauner Pfeil). Die auf der rechten Platte ausgestrichene Flüssigkultur war besonders stark mit Schimmelpilzen verseucht.

Abb. 9.1: Vereinzelungsausstrich von Reinzuchthefen auf einem synthetischen Nährmedium. Je nach Sorte finden sich ausschließlich helle Kolonien von Hefen (grüne Pfeile) oder ein Gemisch mit milchig-trüben Kolonien von Bakterien (rote Pfeile) oder Schimmel (brauner Pfeil, Platte rechts).

Abb. 9.1: Vereinzelungsausstrich von Reinzuchthefen auf einem synthetischen Nährmedium. Je nach Sorte finden sich ausschließlich helle Kolonien von Hefen (grüne Pfeile) oder ein Gemisch mit milchig-trüben Kolonien von Bakterien (rote Pfeile) oder Schimmel (brauner Pfeil, Platte rechts).

Es ist schon ein starkes Stück, wenn einem solche Flüssigkulturen angedreht werden. Essigsäurebakterien sind der Todfeind bei der Weinbereitung, Schimmelpilze können verschiedene Giftstoffe produzieren. Da ich die verseuchten Flüssigkulturen von verschiedenen Herstellern bezogen habe, brauche ich hier keine Namen nennen; alle großen Hersteller haben geschludert. Ich habe ein paar Monate später nochmals Kulturen der verseuchten Hefen bestellt und untersucht, dann erwiesen sie sich als rein. Dabei stellt sich mir die Frage, wie man reproduzierbar einen guten Wein machen soll, wenn die Zulieferer nicht in der Lage sind, Flüssighefen mit garantiert guter Qualität zu liefern. Generell kann ich im Moment nicht zur Verwendung von Flüssighefen raten. Besser geeignet sind die Trockenhefen, die man in Deutschland leider seltener bekommt. Nochmals: Wenn Sie eine Flüssighefe verwenden wollen, so sollten Sie eine Starterkultur ansetzen.

 

Trockenhefen: Immer problemlos?

Leider gibt es auch Verwendung von Trockenhefen gelegentlich Probleme bei der Angärung. Gehen wir diesen Problemen auf den Grund.

Noch vor wenigen Jahren war es für den Hobbywinzer schwer, Trockenhefen überhaupt zu kaufen. Im Internet waren sie praktisch nicht erhältlich, die Packungen gab es fast ausschließlich im Fachhandel für Kellerereibedarf, und zwar nur in typischen Weinbaugegenden. Zudem gab es die Trockenhefen nur in vakuumverpackten 500 g-Packungen, was für den Hobbywinzer doch sehr viel ist. Immerhin: Solange man sich an das Haltbarkeitsdatum hielt gab es mit diesen „professionellen“ Hefen keine Probleme (Abb. 9.2).

Inzwischen hat sich das Angebot deutlich verbessert, es gibt viele Anbieter die kleine Tütchen mit wenigen Gramm Trockenhefe anbieten. Diese Menge ist für den Hobbywinzer natürlich schneller zu verbrauchen, und so muss er nicht über viele Monate hinweg die gleiche Hefesorte verwenden.

Leider gibt es nicht nur positive Erfahrungen mit diesen „Tütchenhefen“, auch hier kann es zu Problemen bei der Angärung kommen, sprich: Die Trockenhefen waren nicht lebensfähig. Woran liegt das?

Im Gegensatz zu den vakuumverpackten, „professionellen“ Trockenhefen sind die „Tütchen“ oft nicht luftfrei verpackt. Was noch viel schwerer wiegt: Manchmal bestehen die Verpackung nicht einmal aus luftdichtem Material, sondern aus Papier. Einige Anbieter versenden die Tütchenhefe in mäßig gut verschweißten Kunststoffschläuchen. Vermutlich werden hier größere Gebinde „professioneller“, vakuumverpackte Trockenhefen geöffnet und bei Bedarf neu verpackt. Offensichtlich führt der Kontakt mit Luft und insbesondere mit Luftfeuchtigkeit zu Haltbarkeitsproblemen.

Mein Ratschlag: Kaufen Sie ausschließlich vakuumverpackte Trockenhefe in Originalverpackung. Einige Hefen, zum Beispiel von Erbslöh oder Anchor, gibt es auch in kleineren, vakuumverpackten Gebinden. Die 100 g-Packungen von Erbslöh kosten beispielsweise knapp 10 Euro. Falls Sie doch nur die „große“ 500 g-Packung bekommen können: Diese Packungen liegen preislich im Bereich von 25 Euro. Rechnen Sie es selbst aus: Das ist im Vergleich mit den „Tütchen“ unschlagbar billig, selbst wenn man den Großteil irgend wann wegschmeißt. Einmal angebrochen und kühl und vor allem trocken gelagert konnte man von den großen Packungen auch nach Anbruch bequem 12 Monate und mehr zehren. Und falls sie es langweilig finden, ein Jahr lang nur eine Hefe zu verwenden: Bei einem guten, aromatischen Frucht- oder Honigwein ist der Beitrag der Reinzuchthefe zum Geschmack eher unauffällig und fällt weniger ins Gewicht.

Abb. 9.2: Vakuumverpackte, "professionelle" Trockenhefen verschiedener Anbieter.

Abb. 9.2: Vakuumverpackte, „professionelle“ Trockenhefen verschiedener Anbieter.

Anders gesagt: Solange der Anfänger zu einer Weinhefe mit hoher Alkoholtoleranz greift (Rotweinhefe) kann er die Nachzuckermethode problemlos anwenden und kann damit leckere, stabile Weine erzeugen, die nicht zu Nachgärungen neigen; welche Reinzuchtheferasse er speziell verwendet ist weniger wichtig.Normaler Weise benötigt man keinen Gärstarter, wenn man Trockenhefen verwendet. Aber: Wenn Sie sich unsicher sind, ob ihre Trockenhefe noch aktiv ist, so setzen sie sicherheitshalber einen Gärstarter an.

Vermehrung von Hefen und Starterkulturen

Eine Starterkultur bzw. Gärstarter sind kleine, einfache Weinansätze, die in erster Linie zur Vermehrung der Hefen dient. So stellen Sie sicher, dass sie eine vitale und gärfähige Hefe in ihren Ansatz geben. Es ist weniger ärgerlich, einen kleinen Gärstarter wegschütten zu müssen als einen großen Ansatz mit vielleicht teuren Früchten oder Früchten, die sie mühselig selbst geerntet haben.

Zum Ansetzen werden folgende Zutaten benötigt:

0,5 l naturtrüber Apfelsaft
0,5 g Hefenährsalz
50 g Zucker
Reinzuchthefe (Ein Fläschchen Flüssighefe oder 0,1 g Trockenhefe, eventuell auch mehr)

oder

0,5 l klarer Trauben- oder Apfelsaftsaft
0,5 g Hefenährsalz
50 g Zucker
Reinzuchthefe (Ein Fläschchen Flüssighefe oder 0,1 g Trockenhefe, eventuell auch mehr)

Denken Sie daran: Flüssighefen müssen vor dem Gebrauch aufgeschüttelt werden, und in den Gärstarter gehört das ganze Fläschchen Hefe!

Geben sie alles in eine geeignete Flasche, die noch Steigraum für Schaumbildung hat, und verschließen Sie sie mit einem Gärröhrchen. Bei Raumtemperatur sollte die Gärung innerhalb von ein bis zwei Tagen einsetzten. Gärt die Starterkultur heftig, kann sie in den Most gegeben werden. Da der Gärstarter nicht viel Zucker enthält, wird die Gärung auch schnell wieder nachlassen. Der Gärstarter kann dann im Kühlschrank einige Tage aufbewahrt werden. Er ist leicht verderblich, falls andere Mikroorganismen hinein gelangen. Insbesondere Schimmel wächst auch im Kühlschrank. Vor der Verwendung sollte man sich den Gärstarter also kritisch ansehen und man sollte an ihm riechen: Er soll lecker nach Hefen riechen. Riecht er muffig oder nach Essig, so ist er zu verwerfen.

Erst wenn der Gärstarter bereit ist wird der eigentliche Weinansatz vorbereitet! Pro 10 l Wein reichen 50-100 ml des Gärstarters völlig aus. Nicht vergessen: Der Gärstarter muss aufgeschüttelt werden, falls sich die Hefen abgesetzt haben!

Sie können auch die Hefe aus einem älteren Weinansatz nutzen. Ist die Gärung in einem Weinansatz abgeschlossen, setzen sich die Zellen am Boden des Gärgefäßes ab. Sie können eine neue Gärung starten, indem sie ein wenig vom Bodensatz zum frischen Most geben. Sie können die Hefen auch in saubere Flaschen füllen und einige Tage bis wenige Wochen lang im Kühlschrank aufbewahren. Mit dieser Methode haben die Winzer über Jahrhunderte hinweg Wein hergestellt, lange bevor die Hefe entdeckt war! Aber Vorsicht: Sie gehen auch ein Risiko ein, denn Sie können nicht erkannte Verunreinigungen durch unerwünschte Organismen auf einen frischen Most übertragen, wo sie sich bei der zunächst geringen Alkoholkonzentration explosiv vermehren können. Außerdem kann sich die Hefe in ihren Eigenschaften verändern. Sie sollten daher bei jedem dritten Wein eine frische Reinzuchtkultur verwenden.

Im Forum taucht immer wieder eine Frage zum Gärstarter auf: Wie erkenne ich dass der Gärstarter aktiv und bereit ist? Um dies besser zu verdeutlichen habe ich dazu eine kleine Bildergeschichte erstellt:

Der Gärstarter: Eine Bildergeschichte

Anfänger sind manchmal verunsichert: Wie muss ein „funktionierender“ Gärstarter aussehen, wie erkenne ich dass er bereit ist und verwendet werden kann? Die folgende Bildergeschichte soll das verdeutlichen.

Im folgenden Beispiel zeigte sich bereits nach 24 h Gäraktivität. Dies ist ein Indiz dass die verwendete Hefe frisch war und ihre Arbeit rasch aufgenommen hat. Je schlechter die Hefequalität, desto länger kann die Angärung dauern. Ist auch nach einigen Tagen keine Aktivität erkennbar, so sollte der Starter sicherheitshalber verworfen werden.

Abb. 9.3: Ein frisch, strikt nach Rezept  angesetzter Gärstarter: Verwendet wurden 400 mL naturtrüber Apfelsaft, 0,4 g Hefenährsalz, 40 g Zucker ein ganzes Fläschchen mit Flüssighefe. Die Zutaten wurden in eine 500 mL-Flasche gegeben und gründlich gemischt. Der Schaum auf der Flüssigkeitsoberfläche ist beim Schütteln entstanden.

Abb. 9.3: Ein frisch, strikt nach Rezept angesetzter Gärstarter: Verwendet wurden 400 mL naturtrüber Apfelsaft, 0,4 g Hefenährsalz, 40 g Zucker ein ganzes Fläschchen mit Flüssighefe. Die Zutaten wurden in eine 500 mL-Flasche gegeben und gründlich gemischt. Der Schaum auf der Flüssigkeitsoberfläche ist beim Schütteln entstanden.

Abb. 9.4: Der selbe Gärstarter, 24 Stunden später: Hurra, es gärt!

Abb. 9.4: Der selbe Gärstarter, 24 Stunden später: Hurra, es gärt! Dies ist zu erkennen an:

Es blubbert im Gärröhrchen.
Es steigen kleine Gasbläschen auf und es bildet sich frischer Schaum.

Merke: Wenn Gasblasen im Apfelsaft aufsteigen und sich das Gärröhrchen nicht rührt, so ist der Verschluss nicht luftdicht.

Der Gärstarter könnte schon jetzt benutzt werden. Es kann aber nicht schaden, sich noch etwas zu gedulden.

	 Abb. 9.5: Der selbe Gärstarter, vier Tage nach dem Ansetzen.

Abb. 9.5: Der selbe Gärstarter, vier Tage nach dem Ansetzen. Zu erkennen ist: Hurra, das Gärröhrchen macht noch immer blubb-blubb.
Die Schaumbildung hält an.
Leider nicht gut zu erkennen: Die Flüssigkeit erscheint trüber und, je nach einfallendem Licht, hell-milchig. Dies liegt an den stark vermehrten Hefezellen, die eine beige Farbe haben und das einfallende Licht streuen.
Ein Teil der Hefen setzt sich bereits am Boden ab und bildet dort ein helles Sediment.
Die Hefe hat sich nun optimal vermehrt und ist frisch, dies ist ein guter Zeitpunkt um den Starter zu verwenden.
Nicht vergessen: Auch die Hefe am Boden ist wertvoll und gehört in den Wein, nicht in den Ausguss. Also: Aufschütteln nicht vergessen!

Innerhalb von sechs bis zehn Tagen sollte der Zucker im Starter vollständig vergoren sein. Die Gäraktivität nimmt dann schlagartig ab: Im Gärröhrchen blubbert es immer seltener, der Schaum geht zurück, am Boden setzt sich immer mehr Hefe ab und der Apfelsaft selbst wird zunehmend klarer. Wird der Starter nun nicht sofort verwendet, so sollte er im Kühlschrank gelagert werden.

Eine gesunde Hefe in einem gesundem Wein

Je wohler sich eine Hefe in einem Wein fühlt desto rascher und sauberer wird die Gärung verlaufen. Vier Faktoren sind dabei wichtig:

Trübstoffe fördern die Gärung aus mehreren Gründen. Hefen heften sich an Trübstoffe an und können dadurch frei im Wein schwimmen. Das fördert die Versorgung mit Nährstoffen und Zucker. Angenommen alle Hefezellen würden sich unten am Boden absetzten: Diejenigen die ganz unten liegen wären sehr schnell ausgehungert. Außerdem fördern Trübstoffe den Austritt des bei der Gärung entstehenden Kohlendioxids indem sie die Bildung von Gasblasen fördern. Häuft sich ein Überschuss Kohlendioxid im Medium an kann es die Gärung hemmen.

Hefenährsalz wird eingesetzt weil Früchte einen sehr niedrigen Stickstoffgehalt aufweisen, ferner Versorgt das Hefenährsalz die Hefen noch mit wichtigen Schwefel- und/oder Phosphatverbindungen. Dieser niedrige Stickstoffgehalt kann hartnäckige Gärstockungen verursachen, sowohl bei Saft- als auch bei Maischegärungen.

Nicht nur das Hefenährsalz ist wichtig für die Ernährung unserer Hefe. Früchte können viele wachstumsfördernde Substanzen enthalten. Besonders wichtig für die Hefe sind Substanzen die im Trester von frisch ausgepressten Früchten enthalten sind. Sie werden erst bei der Gärung aus der festen Fruchtmasse freigesetzt. Deshalb sind Maischegärungen immer robuster als Saftgärungen, denn bei der Saftgärung gelangt ein Großteil dieser Substanzen nicht mit in den Weinansatz. Auch Trübstoffe können diese Substanzen enthalten und damit das Hefewachstum fördern.

Eine ungenügende Hefeernährung kann zu hartnäckigen Gärstockungen führen. Mehr Information finden Sie in den Kapiteln „Zucker“ (Auswirkung einer zu hohen Zuckerkonzentration), „Zutaten“ (Zusammensetzung von Hefenährsalzen) und „Weinfehler“ (Ursachen und Vermeidung von Gärstockungen).

 

Lagerung der Hefen im heimischen Tiefkühlschrank

Mit den Hefen eines Gärstarters oder eines schon fertigen Weins kann man einen neuen Gärstarter animpfen und so fort. Theoretisch könnte man sich so die Hefen endlos vermehren, und man hat immer eine Hefe zu Hause. In der Praxis sollte man trotzdem öfter frische Hefen nehmen. Das hat mehrere Gründe:

  • bei jedem Überimpfen in einen neuen Gärstarter steigt die Gefahr, dass unerwünschte Mikroorganismen in den Ansatz gelangen und sich unerkannt vermehren
  • Weinhefen können genetisch instabil sein. Es sind oft polyploide Hochleistungsststämme (d.h. sie haben mehrere überzählige Chromosomensätze) und verändern ihre Eigenschaften im Laufe der Generationen.
  • Es heißt, die Gäraktivität würde generell abnehmen, wenn man die Weinhefen von Ansatz zu Ansatz überimpft

Es gibt eine Möglichkeit, die Hefen dauerhaft aufzubewahren: Gefroren bei -20°C im heimischen Tiefkühlschrank. Der Gärstarter kann allerdings nicht direkt eingefroren werden. Der Grund: Die sich bildenden Eiskristalle zerstören die Hefezellen. Deshalb wird die Hefesuspension mit Glycerin versetzt, das als Frostschutzmittel wirkt und die Eiskristallbildung unterdrückt. Noch einmal: Glycerin ist völlig unbedenklich und ist sowieso in jedem Wein enthalten.

Gehen Sie wie folgt vor:

  • Stellen Sie wie oben beschrieben einen Gärstarter her. Achten Sie insbesondere bei Hefen mit niedriger Alkoholtoleranz darauf, dass nur Zucker für etwa 6-8% Alkohol enthalten ist. Lassen Sie den Zucker vollständig vergären.
  • Schütteln Sie die Kohlensäure, wenn nötig, kräftig aus. Der Sinn der Aktion: Die Hefe soll sich nun am Boden absetzen, dabei stört verbliebenes Kohlendioxid. Eine niedrige Temperatur kann das Absetzen der Hefe beschleunigen: Stellen Sie das Gefäß in den Kühlschrank.
  • Warten Sie bis die Hefe einen hellen, relativ kompakten Bodensatz gebildet hat. Über der Hefe kann sich ein lockerer Bodensatz auf Apfelresten bilden. Schütten Sie den Überstand inklusive der Apfelreste vorsichtig ab bis nur der Hefebodensatz übrig bleibt.
  • Die Hefe wird in der verbliebenen Restflüssigkeit durch Aufschütteln wieder in Lösung gebracht. Nun muss das Volumen dieser Hefesuspension bestimmt werden, z.B. indem man die Flüssigkeit in einen Messzylinder überführt.
  • Nun wird ein zehntel Volumen Glycerin (99%ig) zu den Hefen gegeben (also z.B. 5 ml Glycerin auf 50 ml Hefesuspension). Achtung: Das Glycerin ist sehr dickflüssig, deshalb muss nach Zugabe des Glycerins sehr gründlich gemischt werden.
  • Die Hefesuspension wird nun in eine Eiswürfelform umgefüllt und bei -20° eingefroren. Anschließend werden die Eiswürfel (mit oder ohne Form) mit möglichst wenig Luft in einen Gefrierbeutel gegeben; dieser wird fest verschlossen. Alternativ kann man Eiskugelbeutel verwenden.

Die Hefen sind so, je nach Heferasse, Monate bis Jahre lagerfähig. Der Hefe-Eiswürfel können einzeln entnommen werden, und man kann sie direkt in den fertigen Weinansatz geben, um die Gärung zu starten. Es ist aber besser, wenn Sie auch mit den gefrorenen Hefen zunächst einen Gärstarter ansetzen.

 

Professionelle Lagerung und Vermehrung von Hefen

In der Mikrobiologie werden Hefen bei -80°C gelagert. Bei dieser niedrigen Temperatur sind die Hefen noch nach Dekaden lebensfähig. Nicht ganz so effizient, aber für einige Monate durchaus ausreichend, ist die Lagerung im heimischen Tiefkühlfach. Ich habe die Reinzuchthefen zunächst auf Petrischalen wie oben beschrieben ausgestrichen und so vermehrt. Anschließend habe ich sie abgekratzt und in ein vorbereitetes Fläschchen, das mit 14% (v/v) Glycerin gefüllt ist, resuspendiert. Im Laborjargon habe ich „eine Glycerinkultur“ hergestellt. Ab geht es in das Eisfach. Das Glycerin verhindert die Bildung von Eiskristallen, welche die Zellen durchlöchern und damit abtöten. Wird die Hefesuspension nicht fest, ist die Temperatur im Eisfach nicht niedrig genug, wodurch die Lebensdauer der Glycerinkultur drastisch herabgesetzt wird. Sie können dann eine etwas geringere Glycerinkonzentration ausprobieren. Um die Hefen wieder zu beleben, kratze ich ein stricknadelkopfgroßes Stück Eis heraus und mache einen Vereinzelungsausstrich auf einer Petrischale mit frischem Nährmedium. Hierfür benutze ich sterile Schaschlikspieße aus Holz. Nach etwa drei bis vier Tagen bei Raumtemperatur sind die Hefen zu großen Kolonien herangewachsen. Dann schwemme ich sie mit etwas Wasser ab und gebe sie zum Most. So sind meine Hefen immer frisch, meine Weine gären rasch an, und ich bin nicht auf den ewigen Neukauf von Reinzuchthefen angewiesen.
Leider wachsen nicht nur Hefen auf dem Nährmedium, sondern auch viele andere Mikroorganismen. Deshalb ist es erforderlich, sowohl das Nährmedium, als auch das Glycerin und alle Gerätschaften, mit denen die Hefe in in Berührung kommt, zuvor zu sterilisieren, also keimfrei zu machen. Dies geschieht durch das Autoklavieren. Dabei handelt es sich um eine Wärmebehandlung im gespannten Dampf. Wie genau dies durchgeführt wird und wie man steril arbeitet erfahren Sie im nächsten Kapitel.
Alle Bestandteile zur Herstellung eines festen Nährmediums sowie sterile Einweg-Petrischalen können Sie von Apotheken oder vom Chemie-Fachhandel beziehen. Mischen Sie die folgenden Ingredienzien und füllen sie mit destilliertem Wasser auf ein Endvolumen von 500 ml auf:

5 g Hefeextrakt (yeast extract)
10 g Pepton (peptone)
10 g Glukose (dextrose)
10 g Agar-Agar

Nach seinen Hauptbestandteilen im englischen wird diese Mischung YPD-Medium genannt. Agar-Agar ist ein Produkt verschiedener Rotalgen und sorgt für das Festwerden des Mediums nach dem Autoklavieren. Ist das Medium soweit abgekühlt, das die Flasche gerade mit bloßen Händen angefasst werden kann, wird es in die sterilen Petrischalen geschüttet. 500 ml reichen für etwa 20 Platten. Kühlt das Medium nun weiter ab, erstarrt es schließlich. Die Platten können dann in Tüten im Kühlschrank gelagert werden. Die Platten sollten dabei immer auf dem Kopf stehen, damit Kondenswasser nicht auf das Medium tropft.

Apotheken haben in der Regel Apothekenpreise. Alternativ können Sie ein Medium aus Kartoffeldekokt versuchen. Als Nichtlateiner habe ich nachgeschlagen: Das Wort kommt vom lateinischen „decoctum“ und bedeutet „Abkochung“.

Zur Herstellung von Kartoffeldekokt schälen und reiben Sie Kartoffeln, anschließend wird die dreifache Menge Wasser hinzu gegeben. Dieses Gemisch soll einige Stunden im Kühlschrank ruhen, anschließend werden die groben Bestandteile abgetrennt, indem die Masse durch ein Tuch abgeseiht wird. Mischen Sie nun

120 ml Kartoffeldekokt
10 g Glucose oder 10 g Haushaltszucker
2 g Ammoniumsulfat
10 g Agar

und füllen Sie mit Leitungswasser (!) auf das Endvolumen von 500 ml auf. Anschließend wird die Lösung autoklaviert, die Platten werden wie oben beschrieben gegossen. Ich habe dieses Medium noch nicht selbst ausprobiert, Berichten zufolge sind Hefekolonien auf diesen Platten dunkler als auf dem YPD-Medium (Abb. 9.1) und oft runzlig.

 

Von uns verwendete Heferassen

 

Hefe/Rasse Lieferant/
Quelle
Alkohol-
toleranz [%]*
Bemerkungen
Anchor N 96 Anchor Yeast 14-16 S. bayanus, Sekthefe, auch zur Behebung von Gärstockungen
Anchor NT 50 Anchor Yeast 16 14-30°C, aromatisch, frisch, fruchtig, für Rotweine
Assmannshausen Kitzinger 7-9 problemlos
Assmannshausen Forschungsanstalt Geisenheim n/a „besondere Schonung der Farbe und Förderung des Rotwein-Charakters“
Assmannshausen Schlag/Vina 7-9 Gemisch
Bernkastel Schlag/Vina 6-8 Gemisch
Bioferm Blanc Vinoferm 14 S. cerevisiae ellipsoides „Epermay“, für Weißweine
Bioferm Killer Vinoferm 18 S. bayanus „Killer“, hohe Alkoholtoleranz (bis 18%)
Bioferm Rouge Vinoferm 15 S. cerevisiae, für Rotweine, mit Killer-Faktor, hohe Schwefeltoleranz
Bordeaux Kitzinger 7-15 problemlos
Burgunder Vierka n/a problemlos
Champagne „Epernay“ Forschungsanstalt Geisenheim n/a für Wein und Sekt, „Frische und Fruchtigkeit“ bei der Erstgärung
Fendant Forschungsanstalt Geisenheim 9-12 aus der Schweiz, für alle Mostgärungen
„Gianluigi“ privat 15 Weinhefe eines Ex-Kollegen
Haut Sauternes Kitzinger 12-16 problemlos bei Gärung, Kolonien auf Platte sehr runzelig bei langer Lagerung
Hefix 2000 Erbslöh n/a S. bayanus LW 185-25, Spezialhefe zur Umgärung und Beseitigung von Gärstockungen
IOC R 9001 Institut Oenologique de Champagne >14 empfohlen für rote Jung- und Primeur-Weine, ausgeprägte Autolyse zur BSA-Förderung
Jerez Forschungsanstalt Geisenheim n/a deckenbildender Hefestamm
Liebfraumilch Vierka 9-11 Lösungsmittelgeruch bei Ausstrich auf Platte, schleppende Gärung**
Liebfraumilch Kitzinger 9-11 im Ausstrich OK, Gärung noch nicht getestet
Malaga Kitzinger 12-15 problemlos
Montrachet Forschungsanstalt Geisenheim n/a „universelle Eigenschaften“
Oenoferm Freddo Erbslöh 15 S. c. var. bayanus Stamm LW 317-30, Weißweinhefe für die aromafördernde Kaltgärung (13°-17°C)
Oenoferm rouge Erbslöh n/a S. cerevisisae LW317-29, problemlos
Oenoferm Weissweinhefe Erbslöh n/a S. cerevisisae LW317-28, problemlos
Pfälzer Vierka 8-9 Lösungsmittelgeruch bei Ausstrich auf Platte, schleppende Gärung**
Portwein Kitzinger 12-15 problemlos bei Gärung, scheint ein Gemisch aus zwei Hefen zu sein**
Rüdesheim Schlag/Vina 8-10 Gemisch
S. cerevisiae DSMZ 70487 DSMZ n/a synonym S. diastaticus, hat Amylaseaktivität
Sake Wyeast n/a spezielle Hefe zur Reisweinherstellung
Samos Vierka 12-16 problemlos
Sherry Kitzinger 12-15 problemlos
Siha Aktivhefe 3 Begerow 14 S. cerevisiae WET 136, für komplexe fruchtige Weißweine und Primeurcharakter bei Rotweinen; Temperaturbereich 17-22°C
Siha Aktivhefe 10 (Red Roman) Begerow 16 Spezialhefe für südländische Weintypen, Temperaturbereich 15-28°
Siha-CF 11 Begerow 14 problemlos, Kaltgärhefe für Weißwein, Temperaturbereich 17-22°C
Steinberg Kitzinger 8-10 problemlos
Tarragona Vierka 14-16 Lösungsmittelgeruch bei Ausstrich und schleppende Gärung, nach Neubestellung problemlos**
Tokaier Vierka 10-16 Lösungsmittelgeruch bei Ausstrich und schleppende Gärung**
Tokaj Kitzinger 10-16 problemlos
Torulaspora delbrueckii DSMZ 70504 DSMZ n/a synonym S. fermentati, spezielle Hefe zur Sherryveredelung
Turbohefe Alcotec 20 Gärung verlief problemlos, aber weder sonderlich schnell noch bildete sich mehr Alkohol als z.B. mit Samos; ungeeignet für Wein
Würzburger Stein Kitzinger 8-10 Lösungsmittelgeruch bei Ausstrich auf Platte, Gärung nicht getestet**

* Angaben laut Lieferant oder Literatur. Die Alkoholtoleranz vieler Stämme hat sich in der Praxis als höher erwiesen (siehe oben!)

** Die teilweise beschriebenen Probleme mit den Hefen bedeutet nicht, dass ein grundsätzliches Problem mit der jeweiligen Heferasse besteht. Es bedeutet nur, dass die von uns erworbene Hefe möglicherweise nicht in Ordnung war.

Weiterhin haben wir noch ein paar Bierhefen, eine Brenn-, eine Kaltgär- und eine Sekthefe und den Koji-Kin Pilz für die Sakeherstellung, die aber noch nicht zum Einsatz gekommen sind.

 

Killer-Hefen

In der Tabelle tauchen sogenannte „Killer-Hefen“ auf. Dieser martialisch anmutende Begriff sorgt regelmäßig für Verwirrung und Unsicherheit. Er beschreibt aber ein für Menschen absolut ungefährliches und natürliches Phänomen. So kann man im bunten Hefegemisch einer wilden Gärung in fast 90% aller Fälle auch Killer-Hefen nachweisen.

Killer-Hefen scheiden sogenannte Killer-Faktoren oder Killer-Toxine aus, die spezifisch auf andere Hefen tödlich wirken. Die Killer-Stämme sind immun gegen das von ihnen selbst produzierte Toxin. Sehr gut erforscht sind die Killer-Systeme der Hefe-Gattung Saccharomyces (hier gibt es fünf verschiedene Killer-Systeme), aber auch andere Gattungen haben eigene Killer-Toxine, z.B. Pichia, Kluyveromyces und Williopsis.

Im natürlichen Umfeld der Hefe, also z.B. in einer überreifen Frucht, deren Außenhaut verletzt wurde, wachsen allerlei verschiedene Hefen um die Wette. Man kann sich vorstellen, dass Killer-Hefen einen Vorteil haben, wenn sie Nahrungskonkurrenten ausschalten können. Das macht man sich auch bei Weinherstellung zu Nutze. Spezielle Killer-Weinhefen können das Wachstum unerwünschter wilder Hefen unterdrücken. Dadurch kann das Risiko einer Fehlgärung oder Weinfehlers durch z.B. Kahmhefen vermindert werden. Wenn der Hobbywinzer also überreife Früchte vergären möchte, so tut er gut daran, eine Killer-Hefe zu verwenden.

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