6. Der Zucker

Mrz 13, 2021 | Anleitungen, Fruchtweine

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In diesem Kapitel sollen Sie erfahren, wie Sie einen Wein mit ausgewogenem Restzuckergehalt herstellen können.

Ich persönlich bevorzuge trockene Weine. In Weinen ohne jeden Restzucker überdeckt der Säuregeschmack das Fruchtaroma, sie sind ungenießbar. Bei einer schwachen Restsüße kann der Zucker seine geschmacksverstärkende Wirkung optimal entfalten und so das Fruchtaroma unterstreichen, außerdem ist der Zucker ein Gegenpol zur Fruchtsäure. Andererseits können nur 20 g Zucker zu viel pro Liter einen angenehm trocken schmeckenden Wein in eine unausgewogene süßliche Plörre verwandeln. Da einmal hinzu gegebener Zucker nicht mehr aus dem Weinansatz entfernt werden kann, sofern er nicht von der Hefe vergoren wird, ist es absolut notwendig, jegliche Überzuckerung sorgfältig zu vermeiden.

In der gängigen Literatur wird genau beschrieben, wie der Zuckerzusatz berechnet werden kann. Dazu werden dem Leser in einigen Werken viele verschiedene Formeln präsentiert, die oft schlecht erklärt werden und zum Teil auch überflüssig sind. Grundsätzlich geht man wie folgt vor:

Die Hefe gärt, bis der Zucker restlos verbraucht ist, oder bis sie an dem Alkohol selbst zugrunde geht. Dies ist die Alkoholtoleranzgrenze. Da ein Wein aber Restzucker enthalten muss, damit er genießbar ist, muss die Hefe folglich ihre Alkoholtoleranzgrenze erreicht haben, damit der Zucker für die Restsüße nicht weiter vergoren wird. Da die Alkoholtoleranz der verschiedenen Heferassen bekannt ist, kann man die Zuckermenge bestimmen, die bis zum Erreichen dieses Alkoholgehalts notwendig ist. Nun bestimmt man die Zuckergehalt der Früchte, bildet die Differenz aus beiden Werten und erhält so die Zuckermenge, die beigemengt werden muss, damit die Alkoholtoleranzgrenze genau erreicht wird.

Dazu ein Beispiel und einige notwendige Umrechnungsfaktoren, die ich zum Teil bereits im Kapitel „Die Analytik“ genannt habe:

Das Oechsle ist eine bei Winzern übliche Einheit des Zuckergehalts und gibt die spezifische Dichte bzw. das spezifische Gewicht der Zuckerlösung an. Je mehr Zucker man in Wasser löst, desto mehr wiegt ein Liter der Zuckerlösung.

Ein Grad Oechsle entspricht einer Zuckermenge von 2,6 g/l Wein bzw. 0,26 Gewichtsprozent (0,26 % w/v):

1°Oe = 2,6 g/l Zucker

Um eine Lösung mit einem 1°Oe herzustellen, müssen Sie also 2,6 g Zucker in einem Liter Wasser lösen.

Zwei wesentliche Eigenschaften des Hefestoffwechsels sind also die Bildung großer Mengen Kohlendioxid und die Anreicherung von Alkohol oder präziser Ethanol im Medium. Hierbei wird offenbar Zucker verbraucht. Die Summenformel ist:

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Exakte Umrechnung von Oechlsegraden in die Zuckerkonzentration

Genau genommen wird mit der Oechslewaage nicht der Zuckergehalt des Mosts bestimmt, sondern dessen Dichte (siehe auch Kapitel „Analytik“). 1 Grad Oechsle ist definiert als die Erhöhung der Dichte von einem Liter Flüssigkeit um 1 g im Vergleich zu reinem Wasser. Reines Wasser hat eine Dichte von 1000g pro Liter. Hat ein Most eine eine Dichte von 1001 g pro Liter, so hat er per Definition 1°Oe, 1002 g/l entsprechen 2°Oe und so weiter.

Die Dichte eines Mosts ist jedoch nicht proportional zur Zuckerkonzentration. Was bedeutet das in der Praxis? Das lässt sich am Besten anhand eines Beispiels erklären: Traubenmost mit einer Dichte von 50°Oe enthält etwa 103 g/l Zucker. Traubemost mit einer Dichte von 100°Oe enthält nicht die doppelte Zuckermenge, wie man annehmen könnte, sondern stattdessen 236 g/l. Jeder feste Umrechungsfaktor von Oechslegraden in die Zuckerkonzentration ist streng genommen also falsch. Woran liegt das?

Einerseits wird die Dichte des Mosts nicht nur von Zucker beeinflusst, sondern auch von allen anderen Inhaltsstoffen. Ein besonders großen Einfluss übt dabei die Säuremenge aus, denn auch die Säure erhöht die Dichte des Mosts. Die Menge dieser Inhaltsstoffe schwankt von Rebesorte zu Rebsorte und, bedingt durch die wechselnde Witterung, von Jahr zu Jahr.

Ein weiteres Problem für die Berechnung des Alkholausbeute aus der vorhandenen Zuckermenge: Die aus dem Zucker entstehende Alkoholmenge entspricht nicht der theoretischen Menge, die laut der Summenformel der Gärung (siehe Kapitel „Mikrobiologie“) zu erwarten wäre. Das liegt daran, dass die Hefe natürlich nicht nur Zucker fleißig zu Ethanol vergärt, sie vermehrt sich dabei. Dabei bildet sich neue Hefe- bzw. Biomasse, und dabei wird ebenfalls Zucker verbraucht, der deshalb nicht zur Bildung von Ethanol zur Verfügung steht. Nun ist die Biomasse, die bei einem bestimmten Zuckergehalt gebildet wird, nicht in jedem Weinansatz gleich. Bei Maischegärungen vermehrt sich die Hefe zum Beispiel oft stärker als in Saftgärungen. Das hat zur Folge dass bei Maischegärungen weniger Alkohol entsteht als bei einer Saftgärung, wenn beide Ansätze mit der gleichen Zuckermenge gestartet wurden.

Das Fazit dieser Ausführungen:

Eine wirklich exakte Zuckerberechnung anhand des Mostgewichts ist nicht möglich. Existierende Umrechnungsformeln basieren auf Erfahrungswerten mit Most aus Trauben, die oft, aber nicht immer, gute Ergebnisse liefern. Aus der gleichen Zuckermenge kann, von Ansatz zu Ansatz, unterschiedlich viel Alkohol gebildet werden.

Was beim Traubenwein schwierig ist wird beim Frucht- und Honigwein noch schwieriger, denn die Varianz der Inhaltsstoffe, die zu einer fehlerhaften Zuckerbestimmung oder zu einem unterschiedlich guten Hefewachstum führen, ist zwischen verschiedenen Früchten natürlich noch größer als zwischen Traubenrebsorten.

Eine mögliche Faustformel zur Umrechnung haben Sie bereits kennen gelernt: 1°Oe entspricht 2,6 g/l Zucker. Rechnen Sie ruhig mit diesem Wert. Aber haben Sie im Hinterkopf, dass Sie dabei keine exakte Wissenschaft betreiben, sondern dass Sie eine Faustformel anwenden, der man nicht blind trauen sollte.

In Tabelle 7.1 ist anhand von empirischer Daten die Beziehung zwischen Mostgewicht, Zuckergehalt und zu erwartendem Alkoholgehalt dargestellt. Denken Sie aber daran: Diese Tabelle bezieht sich auf Traubenmost und ist letztlich auch nur ein Hilfsmittel ohne Anspruch auf exakte Genauigkeit, insbesondere bei Anwendung für Frucht- und Honigweine.

Tabelle 7.1: Beziehung zwischen Mostgewicht von Traubenmost, Zuckergehalt und daraus resultierendem Alkoholgehalt im Wein (nach Vogt: Weinchemie und Weinanalyse, 1969) Tabelle 7.1: Beziehung zwischen Mostgewicht von Traubenmost, Zuckergehalt und daraus resultierendem Alkoholgehalt im Wein (nach Vogt: Weinchemie und Weinanalyse, 1969) [/caption]

Ein Gewichtsprozent Alkohol (also 10 g/l) entsteht bei der Vergärung einer Zuckermenge von zehn Oechsle:

10°Oe = 10 g/l Alkohol oder
26 g/l Zucker = 10 g/l Alkohol

Da Alkohol ein geringeres spezifisches Gewicht als Wasser aufweist (Wasser hat ein Gewicht von 1 g/ml, Alkohol von 0,79 g/ml), wird der Alkoholgehalt zur Umrechnung in Volumenprozent durch 7,9 geteilt.

10 g/l Alkohol = 1,3 Vol. % oder
10°Oe = 1,3 Vol. % oder
1 Vol. % Alkohol = 7,9 g/l Alkohol

daraus ergibt sich:

damit sich 1 Vol. % Alkohol (7,9 g/l) bilden kann,
müssen 7,9 x 2,6 g/l = 20,5 g/l Zucker vergoren werden.

Ferner findet man manchmal Angaben in Brix. Dies ist der Zuckergehalt in Gewichtsprozent der Lösung. Eine Zuckerlösung mit einem Brix enthält also 10 g/l Zucker.

Und nun ein Beispiel.

Angenommen, sie möchten 10 l Johannisbeerwein herstellen. Sie verwenden die Heferasse „Tokaier“, die den herben Geschmack der Früchte unterstützen soll. Diese Hefe bildet laut Tabelle (siehe Kapitel „Die Hefe“) bis zu 15% Alkohol. Dies ist die Alkoholtoleranzgrenze dieser Hefe. Damit 15 Vol. %, das sind rund 120 g/l ( 15 x 7,9 g/l) Alkohol gebildet werden können, benötigen Sie folglich ein Mostgewicht (siehe auch Kapitel „Die Analytik“) von 120°Oe. Dies entspricht einer Zuckermenge von 312 g/l Zucker (120 x 2,6 g/l). In Ihren 10 l Wein werden also über 3 kg Zucker vergoren, damit sich 15 % Alkohol bilden. Sie haben die Johannisbeeren bereits zu rund 7 l Saft verarbeitet (siehe Kapitel „Die Saft- und die Maischegärung“). Nun bestimmen Sie das Mostgewicht mit einer Oechslewaage oder einem Refraktometer (siehe „Die Analytik“) und erhalten einen Wert von 60°Oe. Bezogen auf Ihr angestrebtes Endvolumen von 10 l ergibt sich so ein Mostgewicht von 42°Oe (60°Oe : 10 l x 7 l = 42°Oe). Um die angestrebten 120°Oe zu erreichen, benötigen Sie eine zusätzliche Zuckermenge von 78°Oe (120°Oe – 42 °Oe = 78°Oe), also 78 x 2,6 g/l = 203 g/l Zucker beziehungsweise rund 2 kg Zucker für die 10 l Wein. Rechnen Sie nun noch 100 bis 150 g Zucker extra für den Restzuckergehalt hinzu, und sie geben alles wie berechnet in den Weinballon und geben die Hefe hinzu. Sie haben ja genau den benötigten Zucker berechnet, deshalb kann ihr Wein gar nicht misslingen.

Oder kann er doch misslingen??

Sehr wahrscheinlich wird der Ansatz nur schwer angären, die Gärung wird sehr lange dauern, und am Schluss werden Sie weniger Alkohol im Ansatz haben als erwartet. Dadurch ist noch viel zu viel Restzucker im Wein. Möglicherweise wird er so süß, dass er nicht genießbar ist. Woran liegt das?

1. Problem – Mathematik und die Kontrollillusion

Die obige Beispielrechnung setzt voraus, dass der Umrechnungsfaktor „20,5 g/L Zucker bilden 1 Volumenprozent Alkohol“ verlässlich wäre. Dies ist in der Praxis nicht der Fall: Der Wert kann variieren. Unsicherheitsfaktoren, die von Ansatz zu Ansatz verschieden sein können und den Wert beeinflussen sind beispielsweise:

  • Bildung von Hefebodensatz/Biomasse
  • Bildung von Gärungsnebenprodukten
  • Gegenwart von anderen Keimen

Ferner ist die Bilanz der Alkoholbildung aus Zucker auch abhängig von der Gärphase.

Behalten Sie also im Hinterkopf dass der genannte Umrechnungsfaktor nur eine Faustformel ist.

2. Problem – Der Zuckergehalt der Früchte

Der Erfolg bei dieser Vorgehensweise setzt voraus, das der Zuckergehalt der Früchte exakt bestimmt werden kann. Das ist aber nicht der Fall. Obwohl der Zuckergehalt einen wesentlichen Einfluss auf das Mostgewicht eines Fruchtsafts hat, enthält er doch viele andere Substanzen und vor allem Trübstoffe, die diesen Wert ebenfalls beeinflussen. Der so entstehende Fehler bei der Zuckerbestimmung unterscheidet sich nicht nur bei den verschiedenen Früchten, sondern auch zwischen verschiedenen Sorten der gleichen Frucht. Deshalb sind auch die Korrekturtabellen, die sich in vielen Büchern finden, letztlich nur ein Anhaltspunkt und für die exakte Einstellung des Restzuckergehalts nicht zu gebrauchen. Noch problematischer wird die Zuckerbestimmung bei der Durchführung einer Maischegärung. Hierbei wird kein Fruchtsaft vergoren, stattdessen werden die Früchte nur grob zerkleinert. Hierbei entsteht oft ein dickflüssiger Brei, bei dem die Oechslewaage nicht eingesetzt werden kann. Später, wenn die Fruchtreste entfernt wurden, enthält der Ansatz aber bereits Alkohol. Wie Sie im Kapitel „Die Analytik“ erfahren haben, ist dann aber keine exakte Zuckerbestimmung mehr möglich. Fazit: Bereits hier habe ich eine große potenzielle Fehlerquelle, die meine Berechnung des benötigten Zuckers in Frage stellt.

3. Problem – Gärhemmung durch zu viel Zucker

Weinansätze mit geringer Zuckerkonzentration gären am leichtesten, Weinansätze mit hoher Zuckerkonzentration sind dagegen nur schwer zu vergären. Werfen Sie dazu einen Blick auf Abb. 7.1. Hier wurde der Gärverlauf eines Hefestamms anhand des Kohlendioxidverlusts bei verschieden hohen Zuckerkonzentrationen verfolgt.

Abb. 7.1: Die Gärung eines Hefestamms bei verschieden hohen Zuckerkonzentrationen (nach Schanderl, 1959).

Abb. 7.1: Die Gärung eines Hefestamms bei verschieden hohen Zuckerkonzentrationen
(nach Schanderl, 1959).

Bei diesem Experiment ist auffällig, dass die Gärung bei den Ansätzen mit hoher Zuckerkonzentration (die Kurven in Rot und Grün) erst spät einsetzt, denn erst nach vier Tagen setzt die Bildung von Kohlendioxid ein. Die niedrig konzentrierten Ansätze gären bereits nach einem bis zwei Tagen an. Erstaunlich ist nicht nur, dass die Gärung umso langsamer verläuft, je höher die anfängliche Zuckerkonzentration ist. Der Endalkoholgehalt sinkt, wenn der Ansatz von Anfang an zu viel Zucker enthält. Eine große Zuckermenge bleibt also unvergoren, wenn die Zuckermenge im Ansatz zu groß war.

Für unsere Fruchtweinproduktion gilt also, dass die Zuckerkonzentration zu Beginn der Gärung unter 25 % liegen sollte. Mit dieser Zuckerkonzentration erreichen wir aber nicht die Alkoholtoleranzgrenze der Hefe. Wenn ein hoher Alkoholgehalt gewünscht ist, muss also während der Gärung nachgezuckert werden, so wird das Problem der Gärhemmung durch den Zucker vermieden.

Kommen wir nochmals auf das Beispiel mit dem Johannisbeerwein zurück. Wir haben berechnet, dass eine Zuckermenge von rund drei Kilo für die zehn Liter Wein gebraucht werden. Dies entspricht einer Konzentration von rund 30%. Ein solcher Ansatz wird nicht gut angären. Eine so hohe Konzentration von gelösten Stoffen im umgebenden Milieu bedeutet für die Hefe einen enormen Stressfaktor, da sie weit über der Stoffkonzentration in der Hefezelle liegt. Dies gilt besonders dann, wenn dieser Wechsel sehr rasch geschieht, wenn also zum Beispiel die Hefe einer Starterkultur, wie sie käuflich zu erwerben ist, in den Weinansatz geschüttet wird. Da die Konzentrationen innerhalb und außerhalb der Zelle einen Ausgleich suchen, verliert die Hefe Wasser, und die intrazelluläre Konzentration steigt rapide an; man spricht in diesem Zusammenhang auch von einer Osmose. Diesem osmotischen Stress ist die Hefe zum Glück nicht hilflos ausgeliefert: Sie reagiert darauf mit der schnellen Synthese von Enzymen, die zur Bildung von Glycerin dienen. Eine hohe Glycerinkonzentration in der Zelle kann so die hohe Stoffkonzentration in der Umgebung ausgleichen.

Da die Hefen einer Flüssigkultur aber regelrecht ausgehungert sind und ihren Stoffwechsel quasi auf Sparflamme heruntergefahren haben, können sie die Enzyme, die zur Glycerinproduktion gebraucht werden, nicht schnell genug bilden und leiden besonders unter der hohen Zuckermenge. Dieser osmotische Stress führt letztlich dazu, dass unser Johannisbeerwein nur schleppend angären wird und auch längst nicht soviel Alkohol bilden wird, wie wir bei der Berechnung der notwendigen Zuckermenge angenommen haben. Setzt die Gärung ein, so verläuft sie vergleichsweise langsam und schleppend und wird nicht abrupt enden. Der fertige Wein wird widerlich süß schmecken. Hier hilft dann nur noch das Verdünnen mit Wasser, damit die Zuckerkonzentration sinkt und die Gärung in Gang kommt. Denken Sie daran: Läuft die Gärung nicht gut an, haben Sie nicht die konservierende Wirkung des Alkohols als Schutz vor unerwünschten Mikroorganismen. Die Gefahr für das Auftreten eines Weinfehlers steigt mit jedem Tag, an dem der Ansatz nicht vernünftig gärt.

Der stockende Gärverlauf birgt ein weiteres Risiko. Der Endalkoholgehalt wird immer weit unterhalb der Alkoholtoleranzgrenze der Hefe bleiben. Bereits geringe „Verbesserungen“ der Lebensbedingungen, zum Beispiel durch eine kurzzeitige Belüftung bei der Flaschenabfüllung, kann dazu führen, dass sich im Wein befindliche Resthefen vermehren und eine Nachgärung einsetzt. Eine mögliche Folge: Explodierende Flaschen im Weinkeller.

 

4. Problem – Der Endpunkt der Gärung

Auch wenn sie noch so klein sind: Hefen sind lebende, atmende Wesen und tun als solche nicht immer das, was sie sollen: Eine Hefe bildet nicht immer die maximal mögliche Alkoholmenge. Wie bereits dargestellt, handelt es sich bei dem Alkohol um ein Gift, das letztlich auch der Hefe selbst schadet. Kommen weitere schädliche Stoffe im Weinansatz hinzu, zum Beispiel bestimmte Inhaltsstoffe der Früchte oder im Honig, bleibt der Alkoholgehalt schon einmal ein oder zwei Volumenprozente unterhalb der Erwartung. Dieses Problem tritt besonders bei extrem trübstoffarmen Saftgärungen auf. Der übrig gebliebene Zucker macht aus Ihrem Wein einen klebrigen Saft.

Das Beispiel des Johannisbeerweins war übrigens nicht aus der Luft gegriffen. Es handelte sich um meinen ersten Versuch, einen Wein zu machen, und es war ein totaler Misserfolg. Der Johannisbeergeschmack war zwar in Ordnung, der Wein war aber so süß, dass die Verkostung keine Freude bereitete. Wie vermeide ich heute solche Fehler?

Der Dreh- und Angelpunkt bei der Weinherstellung ist die Stabilisierung des Weins: Wie werden alle mikrobiellen Stoffumsätze im Wein sicher gestoppt, sodass einerseits Nachgärungen sicher verhindert werden und andererseits die bei der Abfüllung eingestellte Restsüße stabil bleibt? Dies ist der wichtigste Aspekt bei der Weinherstellung, der leider bei vielen „Anleitungen“ im Netz und den meisten „Hobbybüchlein“ nicht behandelt wird.

 

Lösung 1 – Sterilfiltration

Hohe Zuckerkonzentrationen im Weinansatz sind zu vermeiden. Wenn Ihre Hefe keine 15% Alkohol bilden soll, brauchen Sie auch keine so hohen Zuckermengen. Rechnen Sie mit einer zu bildenden Alkoholmenge von vielleicht 11%. Durch die geringe Zuckermenge zu Beginn wird die Gärung besonders schnell einsetzten. Ist die Gärung vorüber und hat sich die Hefe abgesetzt, können sie den Wein vom Bodensatz abziehen. Völlig ohne Restzucker wird er nun ungenießbar sein. Nun können Sie ihn mit Zucker oder zurückgehaltenen Fruchtsaft versetzen, bis Ihnen der Wein geschmacklich zusagt. Hierbei sollten Sie bedenken, dass die Süßkraft des Haushaltszuckers nicht stabil ist (siehe „Die Zutaten) und bei längerer Lagerung um etwa 1/3 nachlässt.

Nun haben Sie ein Problem: Auch wenn Ihr Wein absolut klar ist, werden sich noch einige Hefen darin befinden. Sobald diese nun neues „Futter“ bekommen, kann die Gärung wieder einsetzten. Ist der Wein schon in Flaschen abgefüllt, haben Sie potentielle Bomben im Weinregal, die aufgrund des entstehenden Kohlendioxids explodieren können! Das ist sehr gefährlich und kann im wahrsten Sinne des Wortes ins Auge gehen. Im besten Fall wird der Wein nur trüb durch die sich vermehrende Hefe, prickelt und ist doch wieder ungenießbar trocken. Sie müssen also alle Hefen sicher aus dem Wein entfernen. Dies ist möglich, indem Sie den Wein durch einen feinen Filter pressen, in dem alle Hefen zurückgehalten werden. Hierzu können Sie den bereits genannten Simplex-Filter verwenden (siehe „Die Gerätschaften“).

 

Lösung 2 – Pasteurisieren des Weins

Sie können eine Nachgärung in der Flasche verhindern, indem sie die Hefen abtöten. Erfahrungsgemäß reicht die Schwefelung des Weins nicht aus, um die Hefen sicher abzutöten. Die Gärung wird möglicherweise durch die Schwefelung verlangsamt, kann aber wieder in Gang kommen. In alten Tagen wurden extrem große Schwefelmengen zum Stoppen der Gärung eingesetzt, man nannte diesen Vorgang „Stumm- oder Stillschwefelung“. Nach dem Abtöten der Hefen musste man den Schwefel mit großem technischem Aufwand wieder entfernen, weil der Wein sonst ungenießbar war.

Ein sicheres Abtöten der Hefen kann aber durch eine kurze Hitzebehandlung, der Pasteurisierung, erreicht werden. Stellen Sie die Restsüße nach der Gärung wie in „Lösung 1“ beschrieben ein und füllen Sie den Wein in Flaschen ab. Erhitzen Sie nun die noch unverschlossenen Flaschen vorsichtig in einem Wasserbad. Der Wein darf keinesfalls kochen! Messen Sie mit einem Stabthermometer die Weintemperatur in der Flasche und stellen Sie sicher, dass die Temperatur für etwa fünf Minuten bei 65°C liegt. Das sollte viele Mikroorganismen und die Hefen sicher abtöten. Nun sollten die Flaschen rasch abgekühlt und verschlossen werden. Dabei muss auf Sauberkeit geachtet werden, damit dabei keine Keime in den frisch sterilisierten Wein gelangen können. Eine genaue Anleitung zur Durchführung einer Pasteurisierung finden Sie hier:

 

Ihr Titel

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Pasteurisation bzw. Pasteurisierung von Wein und Süßreserve

Die Pasteurisierung, synonym auch Pasteurisation, ist eine Methode zur Konservierung von flüssigen Lebensmitteln. Dazu werden die Flüssigkeiten kurzzeitig auf Temperaturen von 60-90°C erhitzt. Bei diesen Temperaturen sterben viele Mikroorganismen ab, wodurch das Lebensmittel nicht mehr so rasch verderben kann. Bei einer sorgfältig durchgeführten Pasteurisierung können Hefen, Essig- und Milchsäurebakterien sowie z.B. Salmonellen sicher abgetötet werden. Sporen von Schimmelpilzen und Bakterien überstehen allerdings auch höhere Temperaturen. Typische Lebensmittel, die heute pasteurisiert werden, sind Fruchtsäfte, Bier und Milch. Die Pasteurisierung von Wein ist eher selten geworden. Auf die Gründe dafür werde ich später noch zurückkommen.

Der Erfinder und Namensgeber der Pasteurisierung ist der berühmte französische Chemiker Louis Pasteur (1822-1895). Er hat um 1860 nachgewiesen dass es sich bei den Hefekügelchen, die man seit der Erfindung des Mikroskops kannte, um Lebewesen handelt. Ihm kam die Idee, diese Lebewesen mit Hitze abzutöten.

Dabei löste er ein großes Problem der damaligen Winzer: Die abgefüllten Weine waren in der Flasche oft nicht stabil. Trotz der schon seit der Antike bekannten Weinschwefelung kam es immer wieder zu Nachgärungen, oder die Weine bekamen einen Essig- oder Milchsäurestich durch die Tätigkeit unerwünschter Bakterien. Dies konnte mit der Pasteurisierung verhindert werden.

Es soll nicht unerwähnt bleiben dass das Weinaroma bei der Pasteurisierung leidet, derart behandelte Weine weisen oft einen „Kochgeschmack“ auf. Grund für den Kochgeschmack sind einerseits die Flüchtigkeit vieler „feiner“ Aromastoffe, andererseits kommt es in den erhitzten Lebensmitteln zu komplexen stofflichen Veränderungen. Ein Maß für die hitzebedingte Aromabildung ist das Auftreten einer Verbindung namens Hydroxymethylfurfural (HMF). HMF entsteht durch Dehydratation von Zucker, wobei die HMF-Bildung durch hohe Temperaturen und durch Säure gefördert wird. In Lebensmitteln wie Fruchtsäften, Honig und Milch ist ein hoher HMF-Wert ein Zeichen für eine schlechte Qualität. Wohlgemerkt: Je höher die Temperatur, desto stärker fällt der Kochgeschmack aus; grundsätzlich laufen die zum Kochgeschmack führenden chemischen Reaktionen bereits bei Temperaturen deutlich unterhalb des Siedepunkts ab. Anders ausgedrückt: Ein Lebensmittel kann einen ausgeprägten Kochgeschmack aufweisen obwohl es niemals auf Siedetemperatur erhitzt wurde.

Den Nachteil des „Kochgeschmacks“ nahm man früher in Kauf. Heute ist der Hygienestandard und die Filtrationstechnik so weit fortgeschritten, dass auf die Pasteurisierung von Wein meist verzichtet werden kann. Wenn überhaupt werden heute eher einfache Weine pasteurisiert.

Für den Hobbywinzer, der nicht über einen Filter verfügt, ist die Pasteurisierung aber eine Möglichkeit, um Nachgärungen in der Flasche zu verhindern. Um die geschmacklichen Einbußen so gering wie möglich zu halten, solltedie Pasteurisierungstemperatur so niedrig und die Pasteurisierungsdauer so kurz wie möglich gehalten werden.

 

Durchführung der Pasteurisation

Die Pasteurisation erfolgt nach der Gärung, wenn der Wein vom Hefebodensatz abgezogen und geschönt wurde. Der Wein sollte absolut klar sein.

Hefetrüber Wein darf nicht pasteurisiert werden!

Die abgetöteten Hefezellen würden sich sonst zersetzten und können einen störenden Hefegeschmack oder Trübungen verursachen. Die gewünschte Restsüße wird entweder mit Zucker oder mit einer Süßreserve eingestellt. Es ist sinnvoll, den Wein in der Flasche zu pasteurisieren, denn je weniger Arbeitschritte nach der Pasteurisierung nötig sind, desto geringer ist die Gefahr, dass der Wein nach der Pasteurisierung versehentlich mit Mikroorganismen kontaminiert wird. Der Wein wird deshalb bereits vor der Pasteurisierung geschwefelt und in Falschen abgefüllt. Diese Flaschen werden mit einem Stück Aluminiumfolie provisorisch verschlossen. Alternativ können auch Flaschen mit Schraubverschluss verwendet werden, wobei der Schraubdeckel zunächst lose aufgedreht wird.

Bei der Pasteurisation entsteht in den Flaschen ein hoher Druck. Die Flaschen dürfen deshalb nicht fest verschlossen sein. Korken könnten aus der Flasche fliegen. im schlimmsten Fall können die Flaschen explodieren! Herumfliegende Glassplitter sind sehr gefährlich!

Nun kann die eigentliche Pasteurisation erfolgen. Dazu muss der Wein für 5 Minuten auf 65°C erhitzt werden. Um den Geschmacksverlust während der Pasteurisierung möglichst gering zu halten muss der Wein möglichst rasch und gleichmäßig erwärmt werden. Das erfolgt am Besten in einem vorgeheizten Wasserbad. Sehr gut eignen sich hierfür Einmach- bzw. Einkochtöpfe. Sie sind groß genug, um auch Weinflaschen aufnehmen zu können. Was die Großmutter schon wusste: Da der Topfdurchmesser größer ist als der Durchmesser der Kochplatten erwärmt sich der Topfboden nicht gleichmäßig. Stellt man ein Glasgefäß auf einen ungleichmäßig erwärmten Untergrund, so können im Glas Spannungsrisse entstehen, die zum Platzen des Glases führen können.

Die Flaschen dürfen niemals direkt auf auf dem Topfboden stehen. Einkochtöpfe haben deshalb spezielle Einsätze.

Falls der Einsatz fehlt: Aus Eichenholz und rostfreien Edelstahlschrauben ist ein Einsatz schnell gebastelt (Abb. 7.2)

Abb. 7.2: Innenansicht eines Einmachtopfes mit einem selbst gebastelten Einsatz aus Eichenholz
Abb. 7.2: Innenansicht eines Einmachtopfes mit einem selbst gebastelten Einsatz aus Eichenholz

Um den Erfolg der Pasteurisierung sicher zu stellen muss der Wein zudem vollständig und gleichmäßig erwärmt werden, zudem sollte die Temperatur in einer Referenzflasche gemessen werden. Nach Ablauf der Pasteurisierungszeit werden die Flaschen aus dem Wasserbad entnommen und mit kaltem Wasser rasch abgekühlt. Um diese Punkte zu berücksichtigen geht man wie folgt vor:

  • Füllen Sie den geklärten, geschönten und geschwefelten Wein in Flaschen ab, die mit einem Stück Alufolie lose verschlossen werden. Schraubflaschen werden nur lose zugedreht. Eine Referenzflasche wird mit Wasser gefüllt und mit einem Thermometer versehen. Mit dieser Flasche wird die Temperatur im Inneren der Weinflaschen verfolgt.
  • Um die optimale Wassermenge im Topf zu bestimmen werden die Flaschen zunächst in den Einmachtopf gestellt. Nun wird der Topf mit kaltem Wasser befüllt bis das Wasser möglichst bis zum Hals der Flaschen reicht.
  • Die Flaschen werden wieder entnommen, und der Topf kann beheizt werden. Dabei wird die Erwärmung des Wasser mit einem Thermometer verfolgt.
  • Sobald das Wasserbad eine Temperatur von etwa 90° erreicht hat werden die Flaschen in den Topf gestellt. Da die kalten Flaschen sehr viel Wärmeenergie aufnehmen wird sich das Wasser im Topf nun rasch abkühlen. Die Temperatur im Wasserbad im Vergleich zur Referenzflasche bestimmt, ob und wie stark der Topf weiter beheizt wird (Abb. 7.3).
  • Wurde die Temperatur von 65°C fünf Minuten lang in der Referenzflasche gemessen, so werden die Flaschen entnommen und in einem Eimer mit Wasser rasch abgekühlt. Das Kühlwasser sollte aus Sicherheitsgründen Raumtemperatur haben. Eiskaltes Wasser könnte die Flaschen zum Bersten bringen.
  • Danach werden die Flaschen sofort mit einem Korken versehen bzw. der Schraubdeckel wird fest verschlossen.

Bei der Pasteurisation besteht die Gefahr des Glasbruchs. Die Gefahr ist besonders groß wenn die Flaschen starken Temperaturwechseln ausgesetzt sind, also beim Einsetzen in den Topf und bei der Abkühlung. Tragen Sie deshalb unbedingt eine Schutzbrille und Schutzhandschuhe!

Abb. 7.3: Die Durchführung der Pasteurisierung im Einmachtopf. Die Flaschen sollten bis zum Hals im vorgewärmten Wasser stehen damit die Erwärmung des Weins möglichst gleichmäßig und schnell erfolgt. Es sollte sowohl die Temperatur des Wasserbads als auch die Temperatur in den Flachen kontrolliert werden.
Abb. 7.3: Die Durchführung der Pasteurisierung im Einmachtopf. Die Flaschen sollten bis zum Hals im vorgewärmten Wasser stehen damit die Erwärmung des Weins möglichst gleichmäßig und schnell erfolgt. Es sollte sowohl die Temperatur des Wasserbads als auch die Temperatur in den Flachen kontrolliert werden.

Nach der Pasteurisierung wird der Wein intensiv stechend riechen. Dabei handelt es sich um Schwefeldioxid, das durch das Erhitzen des Weins ausgetrieben wird. Der unkontrollierte Verlust von Schwefeldioxid hat eine verminderte Haltbarkeit von pasteurisiertem Wein zur Folge. Dies gilt insbesondere bei der Verwendung von Drehverschlüssen aus Metall, die (wenn sie nicht maschinell angerollt werden) niemals die Dichtigkeit eines Korkens erreichen.

Durch das Erhitzen gehen außerdem leicht flüchtige Bouquetstoffe verloren. Im Extremfall kann er einen ausgesprochenen Kochgeschmack entwickeln. Nicht alle Veränderungen sind negativ zu bewerten: Im Wein finden während der Pasteurisierung chemische Veränderungen statt, die normalerweise während der Reifung deutlich langsamer ablaufen. Der Wein schmeckt deshalb im Vergleich zu gefilterten Weinen „gereift“. Durch den Verlust an Bouquetstoffen hat der pasteurisierte Wein jedoch im Vergleich zu normal gereiftem Wein geschmacklich eine verminderte Komplexität.

 

Pasteurisierung einer Süßreserve

Die Süßreserve ist unvergorener Most, der also noch Zucker enthält. Nach beendeter Gärung des Weins kann der gewünschte Restzuckergehalt im Wein mit Hilfe einer zurück behaltenen Süßreserve eingestellt werden. Während der Wein gärt muss verhindert werden dass die Süßreserve z.B. von Wildhefen vergoren wird. Dazu kann sie entweder in eingefroren oder pasteurisiert werden. Die Pasteurisation der Süßreserve erfolgt ebenso wie für den Wein beschrieben, jedoch mit einer Ausnahme: Da die zelltoxische Wirkung des Alkohols im unvergorenen Saft fehlt muss der unvergorene Saft höher erhitzt werden als Wein, damit alle Mikroorganismen sicher abgetötet werden. Fruchtsäfte und Süßreserven müssen deshalb 5 Minuten auf 85°C erhitzt werden.

 

Pasteurisierung: Pro und Contra

Hier habe ich nochmals alle Vor- und Nachteile der Pasteurisierung zusammengefasst.

Pro:

  • Die Nachgärung wird verhindert. Der Wein wird stabilisiert.
  • Der Wein schmeckt nach der Pasteurisierung „gealtert“.

Contra:

  • Geschmacksveränderungen: Kochgeschmack, Verlust leicht flüchtiger Bouquetstoffe
  • Hoher Zeit- und Arbeitsaufwand (es können nur wenige Flaschen gleichzeitig pasteurisiert werden)
  • Hoher Energiebedarf
  • Herabgesetzte Haltbarkeit, insbesondere bei Verwendung von Schraubverschlüssen

 unter Ich halte von dieser Methode allerdings nicht viel, denn die feinen Aromen des Weins können verloren gehen. Gerade bei Fruchtweinen kann die Pasteurisierung zu einem Kochgeschmack führen, ähnlich wie bei der Verwendung von Dampfentsaftern oder von Dosenobst. Außerdem kann der Wein bei der Pasteurisierung teilweise oxidieren (siehe Weinfehler Luftgeschmack). Insbesondere Honigweine mit geringem Tanningehalt sind dafür äußerst anfällig. Der Geschmack solcher Weine ähnelt oberflächlich einem Sherry, sie schmecken aber im Gegensatz zu Weinen, die gezielt einer Sherryveredelung unterzogen wurden, meist rau und unausgewogen.

Lösung 3 – Gestaffeltes Nachzuckern während der Gärung: Die Nachzuckermethode

Kommen wir zu meiner Lieblingsmethode. Ich persönlich störe mich nicht am hohen Alkoholgehalt. Schließlich konserviert Alkohol den Wein und macht ihn mit zunehmendem Gehalt unempfindlich gegenüber ungewollten Mikroorganismen wie Essigsäurebakterien. Wie bereits erwähnt, stört eine hohe Zuckerkonzentration die Gärungsaktivität unserer Hefen. Ich starte meine Ansätze deshalb zunächst mit wenig Zucker, zum Beispiel mit 1 kg Zucker pro 10 l Wein. Ich kümmere mich zu diesem Zeitpunkt nicht um die Zuckermenge in den Früchten und erspare mir damit die sonst notwendigen Messungen. Wer sich unsicher ist, der kann auch messen: Die Zuckerkonzentration beim Gärstart liegt idealer Weise unter 100°Oe bzw. bei 20 bis 25%. Diese Zuckermenge wird erfahrungsgemäß innerhalb von 2-3 Wochen restlos vergoren. Dann lässt die Gasproduktion rasch nach, das Gärröhrchen blubbert immer seltener. Nun entnehme ich mit einer langen sauberen Glaspipette oder einem dünnen Kunststoffrohr (gibt es im Zoohandel) eine kleine Probe von vielleicht 5-10 ml. Der kurzzeitige Kontakt des Weins mit Luftsauerstoff ist zu vernachlässigen und stellt keine Gefahr dar. Mit einem Vinometer bestimme ich den Alkoholgehalt, der Rest wird verkostet. Lassen Sie sich vom Geschmack des Weins in diesem Stadium nicht abschrecken, es schmeckt meistens grauslich. Diese Kostprobe dient nur dazu, eventuellen Restzucker im Weinansatz zu schmecken. Ist der Restzucker verbraucht, so schmeckt der Ansatz sauer und trocken. Ist das der Fall, so können Sie der Messung mit dem Vinometer trauen und nachzuckern. Diesen Vorgang wiederholen Sie, bis der Zucker nicht mehr vollständig vergoren wird. Längere „Hungerphasen“ sollen dabei vermieden werden weil diese die Vitalität der Hefen herabsetzen können. Man sollte sich angewöhnen, mindestens einmal in der Woche den Restzuckergehalt zu testen und gegebenenfalls Zucker zuzugeben. Wird der zugegebene Zucker nicht mehr vergoren, so stellen Sie die gewünschte Restzuckermenge ein, schwefeln den Wein, lassen die Hefe absetzen und ziehen den Überstand vom Bodensatz ab. Falls gewünscht, können Sie den Wein nun noch filtern, um Trübstoffe und Hefen sicher zu entfernen.

Bei Anwendung der „Nachzuckermethode“ ist die Gärung also beendet wenn:

  • Die Kohlendioxidproduktion vollständig zum Erliegen gekommen ist
  • die Alkohltoleranzgrenze der Hefe erreicht ist (siehe auch Absatz „Besonderheiten bei der Verwendung von Hefen mit einer niedrigen Alkoholtoleranz“ weiter unten)
  • der Wein über die gewünschte Restsüße verfügt
  • die gewünschte Restsüße stabil bleibt (Richtwert: über einen Zeitraum von zwei bis drei Wochen hinweg bei Raumtemperatur)
  • Diese Methode funktioniert umso besser je vitaler die verwendete Hefe ist. Wie die Vitalität der Hefe verbessert werden kann erfahren sie im Kapitel „Weinfehler“ unter der Überschrift „Gärprobleme“.

Die Nachzuckermethode in Stichworten

Vorgehensweise:

  1. Lässt die Gäraktivität nach: Probe ziehen und kosten, Alkohol messen. Falls zu trocken: Vorsichtig nachsüßen (je nach Geschmack mit Honig oder Zucker)
  2. Eine Woche warten, regelmäßig kräftig schütteln. Gasbildung beobachten.
  3. Danach wieder messen und wieder kosten.

Falls Wein noch immer/wieder zu trocken ist (und Alkoholgehalt stieg): Wieder von vorn und nachzuckern.

Falls Restsüße stabil blieb, sich die Hefe massiv absetzt und das Vinometer keinen höheren Alkoholgehalt als bei Messung zuvor anzeigt: anzeigt: Schwefeln, Hefe absetzten lassen, nach spätestens einer Woche von der Hefe abziehen.

Ein Beispiel zur Nachzuckermethode. Sie möchten wieder 10 l Johannisbeerwein herstellen. Zur Erinnerung: Auf 10 l Wein gerechnet steigt der Alkoholgehalt um ein Volumenprozent, wenn 200 g Zucker vergoren werden. Diesmal verwenden Sie die Hefe „Steinberg“, die laut Herstellerangaben 8-10% Vol. Alkohol bilden kann. Sie sind deshalb besonders vorsichtig bei der Zuckerzugabe und mischen nur 1 kg Zucker zu Ihrem Johannisbeersaft und den anderen Zutaten. Mit Wasser füllen Sie das Volumen auf etwa 10 l auf. Bereits nach wenigen Tagen setzt eine heftige Gärung ein. Die Gasbildung nimmt aber rasch wieder ab, und sie entschließen sich, eine Probe zu entnehmen und zu kosten. Mit dem Vinometer bestimmen sie den Alkoholgehalt, er beträgt etwa 9%. Der Wein schmeckt scheußlich und sauer, er weist keinerlei Restsüße mehr auf. Sie können nun nicht wissen, ob Zucker weiterhin vergoren wird oder ob die Hefe bereits ihren Gärungsendpunkt erreicht hat. Sie sind deshalb vorsichtig und geben nur 100 g Zucker in die 10 Liter Wein. Nach der Zuckergabe beobachten sie keine deutlich gestiegene Gasproduktion, im Gärröhrchen blubbert es höchstens verhalten. Nach einigen Tagen nehmen Sie eine neue Probe, messen wieder 9% Alkohol und können wieder keinen Restzucker schmecken. Da der Ansatz nicht süßer schmeckt als bei der ersten Probe müssen die 100 g Zucker vollständig vergoren worden sein. Die Änderung im Alkholgehalt ist aber zu gering, als dass sie mit dem Vinometer gemessen werden könnte. Da die Restsüße geschmacklich nicht ausreicht wird eine neue Gabe von Zucker fällig. Diesmal sind es nur 50 g Zucker. Drei Tage später messen Sie 10% Alkohol, Sie können aber noch immer keinen Zucker schmecken. Ein weiteres Mal geben Sie 50 g Zucker hinzu. Einige Tage später messen Sie nur noch 9% Alkohol, der Wein schmeckt angenehm trocken; das Fruchtaroma kommt besser zur Geltung, und die Säure tritt in den Hintergrund. Offenbar enthält der Wein jetzt Restzucker, der nicht mehr vergoren wird. Neigt sich die Gärung dem Ende zu, so zeigt das Vinometer oft (aber nicht immer!) etwas geringere Alkoholwerte wie zuvor. Da der Wein nun optimal schmeckt und die Süßkraft bei längerer Lagerung etwa um 1/3 nachlässt (siehe Kapitel „Die Zutaten“), geben Sie zum Ausgleich weitere 20 g Zucker hinzu und schwefeln den Wein, damit sich die Hefe absetzen kann. Nach etwa einer Woche hat die Hefe einen kompakten Bodensatz gebildet, Sie können den Wein nun abziehen und abfüllen.

Die Nachzuckermethode für Fortgeschrittene: Die Verwendung von Fructose

Die meisten Früchte sind, ebenso wie Trauben, reich am Zucker Saccharose. Der normale Haushaltszucker („Raffinade“) ist nichts anderes als Saccharose die aus Zuckerrohr oder Zuckerrüben gewonnen wurde. Saccharose ist ein „Dissaccharid“ (Doppelzucker), der aus jeweils einem Molekül Glucose und Fructose besteht, die miteinander verknüpft sind. Im Laufe von Wochen oder Monaten zersetzt sich in Wasser oder in Wein gelöste Saccharose spontan in ihre Bestandteile Glucose und Fructose. Die objektive Süßkraft beider Monosaccharide zusammen beträgt nur etwa 2/3 der ursprünglichen Saccharose. Dies hat zur Folge, dass junge Weine rund 1/3 ihrer Süßkraft bei Lagerung verlieren. Deshalb soll der Wein bei der Nachzuckermethode rund 1/3 süßer eingestellt werden, da die Süßkraft bei der Lagerung zurück gehen wird.

Mit etwas Übung ist diese Vorgehensweise einfach. Wünschenswert wäre ein Zucker, der seine Süßkraft während der Lagerung nicht mehr verändert. Mit so einem Zucker lässt sich die gewünschte Restsüße eines Weins direkt einstellen sofern er keine unvergorene Saccharose mehr enthält. Dazu bietet sich die Fructose (Fruchtzucker) an. Die Nachzuckermethode wird als wie oben beschrieben durchgeführt unter Verwendung von Saccharose. Erst bei der finalen Einstellung der der Restsüße wird Fructose verwendet.

Der Restzucker bei Traubenweine enthält übrigens ebenfalls einen leicht erhöhten Fructoseanteil. Der Grund hierfür: Die Hefe kann Saccharose nicht direkt verwerten. Die Hefezellen setzten Enzyme frei, welche die Saccharose außerhalb der Zelle in Fructose und Glucose spalten. Beide Monosaccharide entstehen dabei im Verhältnis 1:1 und werden anschließend getrennt aufgenommen und verwertet. Die Hefe bevorzugt dabei allerdings die Glucose, von der sie, solange vorhanden, etwas mehr aufnimmt. Der durchgegorene Traubenwein enthält deshalb einen leicht erhöhter Fructoseanteil. Ein zu hoher Fructoseanteil wirkt gärhemmend, weswegen Fructose noch gärenden Weinen nicht zugesetzt wird.

Verwendung von Konservierungsstoffen

Die Nachgärung in der Flasche kann auch durch den Einsatz von Konservierungsstoffen verhindert werden. Sehr gut geeignet ist dazu das Kaliumsorbat (E202), welches im sauren Wein die konservierend wirkende Sorbinsäure freisetzt. Die Sorbinsäure hemmt das Wachstum von Hefen und Pilzen, wirkt aber weniger gut auf Bakterien. Ein Weinfehler, der durch Bakterien verursacht wird (z.B. Essigsäurestich) kann mit Sorbinsäure nicht behandelt werden. Die Wirksamkeit hängt außerdem vom Restzucker im Wein, vom pH-Wert und der Zahl der verbliebenen Hefezellen ab. Besonders effektiv wirkt die Sorbinsäure im sauren Wein mit Restsüße, wenn wenig Keime enthalten sind. Die Zugabe des Kaliumsorbats sollte also erst nach dem Abstich vom Hefebodensatz erfolgen, wenn die Zahl der noch im Wein befindlichen Hefezellen gering ist. Erlaubt ist eine Menge von 200 mg Sorbinsäure pro Liter Wein, diese Menge wird von etwa 270 mg/l Kaliumsorbat freigesetzt. Nach Zugabe des Kaliumsorbats können Sie die Restzuckermenge je nach Geschmack einstellen, ohne eine Nachgärung fürchten zu müssen. Der Einsatz von Kaliumsorbat ist allerdings nicht ganz unumstritten (siehe „Die Zutaten“), weswegen wir auf den Einsatz von Kaliumsorbat verzichten.

Besonderheiten bei der Verwendung von Hefen mit einer niedrigen Alkoholtoleranz

Wenn Sie keinen hochalkoholischen Wein herstellen möchten, können Sie auf eine Hefe mit niedriger Alkoholtoleranz ausweichen. Laut Angabe hat z.B. die Hefe „Steinberg“ eine Alkoholtoleranzgrenze von nur 8-10 Vol.% (siehe auch Tabelle im Kapitel „Die Hefe“). In der Praxis stoppt die Gärung bei besagten 10 % Alkoholgehalt aber nicht abrupt, sie wird lediglich deutlich verlangsamt, und die Hefen verbrauchen den Zucker noch immer. Salopp gesagt wollten diese Hefen bei ihrer Alkoholtoleranzgrenze nicht mehr richtig gären, so wollen aber auch nicht richtig damit aufhören. Gibt man ihnen genug Zeit, so kann man mit diesen Hefen deutlich höhere Alkoholgehalte als angegeben erreichen. Das bedeutet, dass Sie bei diesen Hefen mit einer Nachgärung rechnen müssen, auch wenn der Alkoholgehalt schon deutlich über der angegebenen Toleranzgrenze liegt. Wenn Sie eine solche Hefe verwenden, müssen Sie unbedingt entweder sterilfiltrieren, um die Hefen vollständig zu entfernen, oder sie müssen die Hefen auf eine der oben beschriebenen Methoden inaktivieren.

Verwendung von Süßstoffen

Diabetiker, die liebliche Weine bevorzugen, können Süßstoffe zur Einstellung der Restsüße verwenden. Stellen Sie dazu zunächst einen Wein her, dessen Zucker nach Geschmackprobe vollständig vergoren wurde.

Ein lieblicher Wein hat z.B. einen Restzuckergehalt von etwa 20 bis 30 g/l. Da die Süßstoffe weit intensiver als normaler Zucker schmecken, müssen Sie eine entsprechend geringere Menge einsetzen. Die folgende Tabelle gibt an, wie stark die Süßkraft des Süßstoffs im Vergleich zum normalen Zucker ist.

Süßstoff – Süßkraft im Vergleich zum Haushaltszucker
Cyclamat – 40x
Aspartam – 180x
Saccharin – 480x

Dazu ein Rechenbeispiel: Sie haben einen Wein produziert, der offensichtlich absolut keinen Restzucker besitzt: Er schmeckt sehr sauer und ist ungenießbar. Sie haben die 10 l Wein bereits vom Hefebodensatz abgezogen und möchten die Restsüße mit Aspartam einstellen. Erfahrungsgemäß mögen Sie Wein mit einem Restzuckergehalt von etwa 20 g/l, Sie würden für den Wein also 200 g Zucker benötigen. Da Aspartam aber intensiver ist, benötigen Sie davon nur 200:180=1,1 g.

VORSICHT: Unterschätzen Sie als Diabetiker niemals die Restzuckermenge, die ein Wein enthalten kann! Auch ein Wein, der sehr trocken schmeckt, kann durchaus viel Zucker enthalten!

Einhält ein Wein höchstens 4 g Zucker pro Liter, so darf er als „diabetikergeeignet“ bezeichnet werden.

Die Restsüße

Es wird niemanden verwundern, dass in der EU genau vorgeschrieben ist, wann sich ein Wein süß, lieblich, halbtrocken oder trocken nennen darf. Anhand der Bestimmungen bekommen Sie aber eine Vorstellung, wann ein Wein süß schmeckt und wann er trocken ist.

Ein trockener Wein darf höchstens 4 g/l unvergorenen Restzucker enthalten. Ist der Gesamtsäuregehalt aber höher als üblich, darf ein trockener Wein ausnahmsweise bis zu 9 g Restzucker pro Liter enthalten, der Gesamtsäuregehalt muss aber um 2 g pro Liter unter dem Restzuckergehalt liegen.

Halbtrockene Weine darf entweder zwischen 4 und 12 g Restzucker pro Liter enthalten oder, wenn die Differenz zwischen Restzuckergehalt und Gesamtsäuregehalt kleiner als 10 g pro Liter ist, zwischen 9 und 18 g Restzucker pro Liter.

Ab jetzt wird es aber endlich einfacher. Lieblicher Wein darf 12 bis 45 g Restzucker pro Liter enthalten, und ein Wein, der mehr als 45 g Restzucker pro Liter enthält, ist einfach nur süß.

Da die Kohlensäure beim Sekt den süßen Geschmack unterdrückt, ist die Einteilung hier anders: „Trockner“ Sekt darf 17-35 Gramm Restzucker enthalten. Richtig trocken heißt bei Sekt „extra brut“ (0 – 6 g/l Zucker) oder „brut“ (0 – 15 g/l). „Extra trocken“ (extra dry) enthält schon 12 – 20 g/l Zucker, „halbtrocken“ 33 – 50 g/l.

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